No! – chilenischer Film 13.3.2013

no!
Als im sommer 1973 die „weltfestspiele der jugend und studenten“ in berlin stattfanden, war ich 12 jahre alt. Ich betätigte mich damals als unterschriftensammler. Mensch brauchte ein großes halstuch und einen filzstift. Der beste ort zum sammeln war der alexanderplatz. Dort traf sich die jugend der welt. Am beliebtesten waren unterschriften aus vietnam, chile, sri lanka und bangladesch – das waren die damaligen brennpunkte – orte wo es den amis so richtig gezeigt wurde. Irgendwie ist bei einem unserer zahlreichen umzüge das tuch mit den unterschriften von menschen aus allen kontinenten verloren gegangen.
Warum habe ich das damals gemacht? Ich glaube es war der duft der großen weiten welt. Aber auch oder vor allem (?) das gefühl ein teil einer großen bewegung zu sein.
„Ketten werden knapper
Und brechen sowieso
Wie junger Rhabarber
Wie trockenes Stroh
An der Hand des Riesen
Der tausend Nasen hat
Der braucht nur zu niesen
Und wendet das Blatt“
(renft 1973)
So im nachhinein haben mich diese weltfestspiele mehr geprägt, als ich bisher geglaubt habe. So sind wir einige tage nach den spielen zum fernsehturm gepilgert um ein che-bild zu betrachten, dass in einer dunklen ecke wahrscheinlich mit schablone angemalt wurde. Immer wenn ich später zum alex musste bin ich zu dem bild gegangen um zu sehen, ob es noch da ist. In meiner erinnerung war es noch lange dort. Revolutionsromantik!
Einen monat nach den weltfestspielen hat pinochet in chile geputscht. Wir waren erschüttert. Die ermordung, verschleppung von kommunist_innen und sozialist_innen, die massenhafte immigration. Das rollback des kapitalismus in form einer faschistischen diktatur. Und wir gingen wieder zum alex. Mit einer roten fahne und sprechchören – geld für chile!. Innerhalb weniger stunden hatten wir über 100,00 ddr-mark beisammen, die die leute in das rote tuch warfen. Es waren auch 2-3 westmark dabei.
Chile hat dann viele jahre unser politisches bewusstsein bestimmt – allende, jara, corvalan. Die zahlreichen chilenischen musikgruppen, andere immigranten. In den 80er jahren und bis heute war chile nicht mehr so präsent.
Der film „No!“ erzählt von der siegreichen kampagne zur abwahl pinochets 1988. 15 jahre nach dem putsch glaubte niemand, dass die diktatur so gestürzt werden könnte. So sicher saßen die faschisten in der moneda. Der terror war scheinbar nicht mehr so offensichtlich. Der neoliberalismus bescherte wirtschaftswachstum. Der hauptdarsteller – ein werbefachmann – konzipiert und leitet kampagne, die auf die erwartungsfreude auf die demokratie setzt und die fürchterliche vergangenheit fas gänzlich ausblendet. Um diese handlungsfaden bauen sich die konflikte auf. Vor allem: heiligt der zweck (die ablösung pinochets), die mittel einer bunten beschönigenden werbekampagne? Die kampagne ist erfolgreich. Pinochet ist abgestetzt. Der kapitalismus bleibt, die vergangenheit ist auch heute noch nicht aufgearbeitet. Die versprechungen wurden nicht einglöst. Aber dennoch – der faschist ist weg!
Der film hat einige wenige längen. Aber das ist vernachlässigenswert. Wichtiger: ein durchweg politisches linkes thema wird für ein größeres publikum dramatisiert. Insgesamt spannend und gut gemnacht. Durch kameraführung und technik bekommt der film dokumentarische züge (es gibt auch zahlreiche echte dokumentarszenen). Ein südamerikanischer ken loach.

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