Eigentlich fing die geschichte vor ein paar tagen in den rocky mountains an. Wir sind dort ein paar kilometer getrampt. Ins gespräch gekommen, erzählte uns der fahrer, dass in der nähe unseres nächsten ziels (pincher creek) eine religiöse gemeinschaft lebt, die deutsch spricht. Wir wurden hellhörig, weil wir im vorigen jahr einen dokumentarfilm von klaus stanjek „kommune der seligen“ über die hutterer gesehen haben. Darin geht es um eine täufergemeinde, deren ursprünge auf die reformation zurückgehen. Ihre wesentlichen merkmale sind: taufe im erwachsenenalter, gemeinschaftliches eigentum, starke geschlechterrollen, pazifismus. Während der bauernkriege verbündeten sich viele täufer mit den bauern. Sie waren die radikalsten der reformatorischen gruppen. Das bekannteste beispiel ist sicher das täuferreich von münster. sie wurden des landes verwiesen, eine lange wanderung durch europa begann bis sie im 19. jh. nach nordamerika auswanderten.
Bevor wir nach pincher creek fuhren, forschten wir also nach dieser kolonie im internet und erfuhren, dass dort sogar führungen angeboten werden. Birgit hat angerufen und einen termin vereinbart. Gestern nacht sind wir hier angekommen und heute nachmittag zur kolonie gelaufen.
Weil wir jetzt in der prärie sind, sahen wir die windräder der kolonie schon von weitem, mussten aber dann doch noch anderthalb stunden laufen.
Wir wurden von hilda empfangen, die fragte, wie wir auf die idee gekommen sind ihre kolonie zu besuchen. Wir erzählten, dass wir den film von klaus stanjek gesehen hatten. Da stellte sich heraus, dass klaus stanjek den film in dieser kolonie gedreht hat. Es gibt über 400 hutterer kolonien in nordamerika!! Die leute dort konnten sich noch gut an ihn erinnern.
Uns wurde alles gezeigt und erklärt. Alles aufzuschreiben wäre zu zu viel. Deshalb nur einges markantes.
Die „Kleine Schule“ ist der kindergarten. Hier werden alle kinder im alter zwischen 3 und 6 jahren von den älteren frauen betreut. Es gab sehr wenig spielzeug. Der raum war sauber, aber nicht besonders kinderfreundlich eingerichtet.
Die kinder dürfen mit einer kleinen lederschlinge geschlagen werden, wenn sie ungezogen sind. Sie essen alle mahlzeiten von den erwachsenen getrennt.
Ansonsten essen die älteren alle mahlzeiten zusammen in einem raum, die frauen und männer sitzen an getrennten tischen. Es gibt kein privateigentum, aber eigene häuser, in denen jedoch nicht gegessen wird. Es gibt große gemeinschaftsvorratsräume.
Die hutterer besitzen auch kaum eigenes geld, außer sie arbeiten in ihrer freizeit in der stadt. Oder, wie hilda als führerin in der kolonie. Das geld wird für kleine private dinge, wie parfüm oder weihnachtsgeschenke ausgegeben. Die einkünfte der kolonie aus dem verkauf von eiern, truthähnen und milch verwaltet ein manager. er sorgt auch dafür, dass all das, was nicht selbst produziert wird, angeschafft wird, z.b. käse und mehl. das getreide, das auf den felder der kolonie angebaut wird, dient ausschließlich der viehfütterung.
heute war schlachtetag. hilda zeigte uns die arbeit des tages: 400 geschlachtete gänse. auch ihr fett war schon ausgelassen, die federn für kissen und decken gerupft. außerdem wurden heute auch 3 kühe geschlachtet. in der butcherei sahen wir den frauen beim zerteilen des fleisches zu.
Hilda zeigte uns auch die kirche in der es keinerlei religiöse gegenstände gab, nur holzbänke, kein altar. hier wird auch nur gepredigt, gebetet und gesungen.
die älteren kinder von 6 bis 15 jahren gehen in die englische schule, für die täglich ein lehrer aus der stadt kommt. am nachmittag gehen sie noch 2 stunden in die deutsche schule. der prediger ist zugleich auch der lehrer. sie lernen deutsch und die geschichte der hutterer. alle in einem klassenraum.
Mit 15 Jahren erlernen sie in der kolonie einen beruf. bis 48 wird viel gearbeitet, in der regel von 8 bis 16 uhr, aber im sommer ist so viel zu tun, dass die arbeitszeit oft länger ist. es gibt keine fernseher und computer werden nur für die land- und tierwirtschaft eingesetzt. abends wird gesungen und früh schlafen gegangen.
als wir nach anderthalb stunden rundgang bei hilda noch auf ein glas cherry eingeladen waren, begann es zu regnen. hilda rief zwei ihrer 8 brüder an und einer von ihnen hatte ein wenig zeit und fuhr uns nach pincher creek zurück. als abschiedsgeschenk bekamen wir ein brot.
Meine fresse! das ist echt beeindruckend – so ein zufall! war ganz aufgeregt und es hat auch viel freude ausgelöst!
schreibe seit gestern an einer mail für euch – aber bin mal wieder wild auf achse und finde nicht genügend zusammenhängende ruhezeiten. hoffentlich schaff ichs nachher.
ps: ist das letzte bild etwa aus der hüfte und unerlaubt entstanden? lesen die hutterer mit? uiuiuiui
die hutterer können gar nicht mitlesen, weil computer (und fernseher übrigens auch) nicht erlaubt sind in der kolonie. lediglich die milchproduktion ist computergesteuert…
fast alle bilder sind aus der hüfte – aber erlaubt – entstanden. mit wars etwas unangenehm zu fotografieren. LGB